Das Wort Semâ hat die Bedeutung Himmel. Es bedeutet auch „hören“ und „zuhören, lauschen“. Hier bedeutet es um sich selbst wirbeln und Bewegungen in Ekstase vollführen, inspiriert von schönen Melodien.
Semâ ist eine Form der Anbetung. Es ist ein Mittel, sich Allah zu nähern oder eine Form des Gebetes, die in Bewegung und Tanzform ausgedrückt wird.
Semâ wurde schon in frühgeschichtlichen, schamanischen Zeiten zelebriert. Verlässliche Forschungen zeigen, dass das Wirbeln Trance stimuliert, beschleunigt und vertieft.
Der Semâ hat sich im islamischen Sufismus weiter entwickelt und besitzt eine philosophische Tiefe in diesem Traditionsweg. Das heißt, es geht nicht nur ums „Wirbeln“. Es bedeutet eine Neigung zum Herzen hin. In einer berühmten Überlieferung spricht Gott: „Die Himmel und die Erde können mich nicht fassen, aber das Herz eines echten Gläubigen kann mich fassen.“(Hadis Qūdsi).
Denn ein solches Herz kann als reiner Spiegel dienen, der die Emanation Allahs widerspiegelt. Das Wirbeln ist daher zum Herzen ausgerichtet. Hz. Mevlâna sagt, der Semâ findet seinen Weg zu jenseits von sechs Wegstationen. Im heiligen Koran, in der Sure al-baqara heißt es: „Gottes ist der Osten und der Westen. Wohin ihr euch auch wenden möget, dort ist das Anlitz Gottes.“ (2:115) [7] Aus dieser Perspektive können wir sagen, dass die äußeren Richtungen sich in eine und mit unserem inneren Wesen vereinen.
Semâ erscheint als ein sehr altes und tief verwurzeltes Konzept in der islamischen Kultur. Die Überlieferungen (Hadis) zum Semâ reichen bis in die Zeit des Propheten Muhammed, der Friede sei mit ihm. Von einem Dichter namens Lebid kennen wir ein Gedicht, von dem der Gesandte Gottes tief berührt wird und sich in Ekstase bewegt. Ein Hadis besagt, dass im Augenblick des Wirbelns sein Mantel zu Boden fiel, in Stücke zerfiel und seinen nahen Begleitern (Ashab), die dabei anwesend waren, zum Geschenk gegeben wurde. [1]
Es gibt Berichte, dass Hz. Ebû Bekir, Hz. Ali [2], Hz. Cafer und Hz. Zeyd auch den Semâ ausgeführt haben. [3] Entsprechend den Quellen ist auch Semâ im himmlischen Bereich vorhanden. [4] Auch der „Grüne Prophet“ Hızır oder Khidr hat den Semâ praktiziert. [5]
Semâ wurde ein häufiges Ritual der Sufis der Frühepoche. Viele Mystiker übten den Semâ und dieses wurde in vielen Orden toleriert und angenommen.
Der Semâ erreichte einen sehr begehrten Status mit Hz. Mevlâna Rumi. Obwohl viele Mystiker zuvor den Semâ praktizierten, verbindet man zumeist Mevlâna damit. Der Semâ war nicht das einzige, womit Mevlâna identifiziert wurde. Hört man den Begriff Masnavi oder Mesnevi, kommt Mevlâna in den Sinn, Rumis literarisches Meisterwerk. In der Tat ist „masnavi oder mesnevi“ ein literarisches Genre in der türkischen oder persischen Tradition. Im Laufe der Geschichte war der Begriff „Mevlâna “ zumeist ein Titel für Gelehrte. Es bedeutet so etwas wie „Sire“ (engl.) oder „Meister“. In der türkischen Geschichte gibt es viele große Persönlichkeiten mit dieser Ehrenbezeichnung, Mevlâna. Aber seit dieser Titel für Mevlâna Rumi verwendet wird, verbindet man fast nur seine Person damit.
Die heute allgemein bekanntere Semâ-Zeremonie ist von der „sema mukabele“ des Pir Adil Çelebi inspiriert und Ergebnis seiner spirituellen Realisierung. [6] Das Ritual in dieser Form dauert 40-45 Minuten und besteht aus geordneten, wiederholten Gebärden und Bewegungen.
Hinweise
1. Şeyh Rüsûhüddin İsmail Bin Ahmed El-Ankaravî, Mevleviler Yolu. p. 383. Abbreviated and prepared by: Mehmet Kanar. Şûle Pub., İstanbul, January 2012.
2. ibid p. 386-387.
Hz. Abu Bakr oder Ebu Bekir (d.h. Vater des Bekir), auch Abū Bakr as-Siddīq, geboren um 573 in Mekka, gestorben am 23. August 634 in Medina, war der Schwiegervater des Gesandten. Nach Muhammeds Tod im Juni 632 war er bis 634 „Stellvertreter“ (Kalif) über die Gemeinschaft der Muslime.
Hz. Ali wurde am 21. März 598 geboren. Am 24. Januar 661 wurde er mit einem giftigen Messer ermordet. Hz. Ali ist Muhammeds Cousin. Er war der Erste, der den Islam als Religion anerkannt hat. Als Schwiegersohn des Propheten ist Ali Fortführer der Linie der Prophetenfamilie.
3. İhyayı Ulumuddin v. 2 p. 748
Cafer-i Sadık (702–765): in Medina geboren und gestorben. Er ist einer der bedeutendsten Imame. Er wirkte öffentlich als Hadithaufzeichner, Rechtsexperte, Wissenschaftler und war Begründer einer Rechtsschule.
Ali Zeynel Abidin (658–713), geboren in Medina, jüngster Sohn von Hz. Hüseyin, dem 2. Sohn Alis.
4. Bayram Akdoğan, İsmail Ankaravi’nin Hüccetüs Sema Adlı Eserine Göre Musiki Anlayışı, Ankara 1991, p.89
5. Molla Cami, Nefahat’ül Üns, çev. Abdulkladir Akçiçek, Huzur Publishing, Istanbul 2014, p. 57.
https://de.wikipedia.org/wiki/Al-Chidr (Deutsch)
http://khidr.org/ (Englisch)
6. Abdulbaki Gölpınarlı, Mevlevi Adap ve Erkanı, İnkılap Publishing, p.89
7. A. T. Khoury, Muhammad Salim Abdullah, Der Koran, Gütersloh, 1987
* alle Zeitangaben: nach Chr.